Wissenswertes zum gesetzlichen Mindestlohn, auch vor dem Hintergrund von Werkverträgen

Wissenswertes zum gesetzlichen Mindestlohn, auch vor dem Hintergrund von Werkverträgen

Von dem zum 1. Januar 2015 in Deutschland eingeführten gesetzlichen Mindestlohn profitieren Millionen Menschen. Für die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns war insbesondere ausschlaggebend, dass sich immer mehr Arbeitnehmer*innen in einem nur gering bezahlten Arbeitsverhältnis befanden und generell ein Schutz gegen unangemessen niedrige Löhne besteht. Deutliche Unterschiede zeigten sich zwischen einzelnen Bundesländern wie beispielsweise derer im Osten und Westen von Deutschland. Aber auch in geschlechtsspezifischer Betrachtung wurde deutlich, dass Frauen häufig wesentlich weniger verdienten als vom heutigen Mindestlohn vorgegeben.

Mit einem weiteren Blick auf verschiedene Branchen war zusätzlich zu erkennen, dass insbesondere im Bereich des Gastgewerbes, in der Land- und Forstwirtschaft und im Einzelhandel der Großteil weniger als 8,50 Euro brutto/h verdiente. Der Gesetzgeber sah sich, aufgrund der enormen Unterschiede im Hinblick auf den Lohn, gezwungen einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, welcher für alle Arbeitnehmer*innen und Arbeitsverhältnisse gilt, um der großen Diskrepanz entgegenzuwirken.

Als Mindestlohn wird die Pflicht des Arbeitgebers bezeichnet, dem Arbeitnehmer eine Mindestvergütung zu zahlen, ungeachtet davon welcher Lohn im Arbeitsvertrag geregelt ist. Der Mindestlohn stellt somit eine festgelegte Lohnuntergrenze dar, welche zwangsläufig von keinem Arbeitgeber unterschritten werden darf. Seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes 2015 wurde dieser über die Jahre regelmäßig von der Bundesregierung durch die Mindestlohnanpassungsverordnung erhöht. Seit dem 1. Januar 2020 liegt dieser bei 9,35 Euro brutto/h für alle Arbeitsverhältnisse und alle Arbeitnehmer*innen.

Durch das Mindestlohngesetz ist vorgeschrieben, dass der gesetzliche Mindestlohn alle zwei Jahre neu festgelegt werden soll. Diese Erhöhung orientiert sich primär an der wirtschaftlichen Lage und der allgemeinen Tarifentwicklung. Sekundär soll durch den gesetzlichen Mindestlohn dazu beigetragen werden, dass der Wettbewerb zwischen einzelnen Unternehmen in diesem Kontext fairer funktioniert und nicht zu Lasten der Arbeitnehmer*innen geht. Und darüber hinaus für mehr Stabilität in den sozialen Sicherungssystemen sorgt.

Der gesetzliche Mindestlohn greift zunächst bei allen Arbeitnehmern, welche keinen Anspruch auf einen Branchenmindestlohn oder einen anderen Tarifvertrag haben. Die Formulierung „alle Arbeitnehmer*innen“ ist allerdings nicht uneingeschränkt zutreffend, denn laut Mindestlohngesetz (MiLoG) hat nicht jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf den jetzigen Mindestlohn von 9,35 Euro brutto/h.

In § 22 MiLoG führt der Gesetzgeber hierzu aus, welcher Personenkreis vom Mindestlohn ausgenommen ist. Beispielsweise fallen Pflichtpraktikanten, Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Auszubildende, Freiberufler und Selbstständige u.v.m. nicht unter das Mindestlohngesetz.

Bei der Berechnung des Mindestlohns ist zwingend der „Stundenlohn“ zu beachten. Insbesondere bei Akkord- oder Monatslöhnen muss der Lohn umgerechnet werden, um herauszufinden, ob der Mindestlohn eingehalten wird. Als Bezugsgröße gilt hierbei der Kalendermonat. Folglich muss pro Kalendermonat ein Lohn gezahlt werden, der mindestens so hoch ist, wie die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden multipliziert mit dem aktuellen Mindestlohn.

Letztlich wird in vielen Branchen nicht nur der festgeschriebene Lohn bezahlt, sondern es werden häufig auch weitere Vergütungsbestandteile wie beispielsweise Gratifikationen, Provisionen und Erschwerniszulagen vereinbart und entlohnt. Die Gerichte beschäftigen sich fortlaufend mit der Frage, inwiefern solche Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn anzurechnen sind. Im Hinblick auf diese Thematik ist etlichen Urteilen zu entnehmen, dass grundsätzlich solche Geldleistungen auf den Mindestlohn anrechenbar sind, die keinen anderen Zweck verfolgen als die Vergütung der Arbeitsleistung. Daher sind etwa die Vergütung von Bereitschaftszeiten oder auch das sogenannte „13. Monatsgehalt“ auf den Mindestlohn anrechenbar. Beim „13. Monatsgehalt“ ist aber zu beachten, dass dies nur auf den Mindestlohn angerechnet wird, wenn nicht ausschließlich die Betriebszugehörigkeit belohnt wird.

Nicht nur die Zahlung eines Mindestlohns, sondern auch der späteste Auszahlungstag ist nun gesetzlich festgelegt. Der Mindestlohn ist spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats zu zahlen, welcher auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Hier müssen von Arbeitgebern insbesondere solche Vergütungsbestandteile beachtet werden, die sie erst längere Zeit nach Erbringung der Arbeitsleistung, wie beispielsweise eine Quartalsprovision, auszahlen.

Sofern ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer*innen nicht nach dem gesetzlich festgelegten Mindestlohn vergütet, können u.a. folgende negative Konsequenzen drohen:

  • Bußgelder bis zu 500.000 Euro
  • bei Geldbußen von mehr als 200 Euro ein Eintrag ins Gewerbezentralregister
  • ab einer Geldstrafe von 2.500 Euro der temporäre Ausschluss vom Wettbewerb um öffentliche Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsaufträge
  • Klagen seitens der Arbeitnehmer*innen auf rückwirkende Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes für drei Jahre
  • Nachzahlung des Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteils bei der Sozialversicherung

Trotz der Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns und den soeben aufgezeigten möglichen Folgen zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass bis zu 3,8 Millionen Beschäftigte in Deutschland auch 2020 noch unterhalb dieser Vorgabe entlohnt werden.

Bezugnehmend auf Werkverträge ist zu bedenken, dass der gesetzliche Mindestlohn im Hinblick auf den Schutz von Arbeitnehmer*innen nicht für Werkvertragsbeschäftigte gilt, da sie nicht in dem betreffenden Betrieb weisungsabhängig eingegliedert sind. Ausnahme hiervon besteht, sofern ein Werkunternehmer beauftragt wird und dieser seine eigenen Arbeitnehmer für die Erstellung des Werkes einsetzt, denn dann haben die Arbeitnehmer des Werkunternehmers einen Anspruch auf den Mindestlohn. Damit der Werkunternehmer den Arbeitern auch den gesetzlichen Mindestlohn zahlt, wurde mit § 13 MiLoG auch das beauftragte Unternehmen mit in den Haftungsumfang integriert.

Beim Abschluss von Werkverträgen für Werkvertragsbeschäftigte, hat sich eine Nische gebildet, welches es ermöglicht den Mindestlohn bei Werkvertragsbeschäftigten zu umgehen. Das Problem hierbei liegt darin, dass der Arbeitsumfang der gleiche bleibt, aber weniger Lohn bezahlt wird. Diese Lohnschrumpfung durch Abschluss eines Werkvertrages nimmt seit einiger Zeit unter Arbeitgebern immer mehr an Beliebtheit zu. Umgangen wird die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes, indem die Werkvertragsbeschäftigten, wie beispielsweise Regaleinräumer, nicht direkt beim Unternehmen (Supermarkt) angestellt sind, sondern beim Subunternehmen (Werkvertragspartner). Der Subunternehmer schließt dann als externe Firma mit dem Supermarkt einen Vertrag über das Einräumen der Regale, sodass die Beschäftigten des Subunternehmens nicht beim eingesetzten Unternehmen weisungsabhängig eingegliedert werden, sondern extern zum Arbeitseinsatz ausgesendet werden. Die Folge der Differenzierung zwischen regulär Angestellten, Leiharbeitern mit Mindestlohn und Werkvertragsbeschäftigen ohne Mindestlohn ist die Aufspaltung des Arbeitsmarkts. Diese Aufspaltung schadet nicht nur den Werkvertragsbeschäftigten, sondern auch den Festangestellten, die nur schwer ihre Gehälter durchsetzen können, sofern sich die Unternehmen auch Arbeitern bedienen können, die ein viel geringeres Gehalt beziehen.

Essenz:

  • Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Mindeststundenlohns zum Schutz gegen unangemessen niedrige Vergütung, als Beitrag für faireren Wettbewerb und erhöhte Stabilität in den sozialen Sicherungssystemen
  • Zahlungsfristen und ausgenommene Personenkreise sind zu beachten
  • Vergütungsbestandteile, die einzig den Zweck der Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, sind anrechenbar
  • Mindestlohnumgehung ist potentiell mit erheblichen Geldbußen und weiteren negativen Konsequenzen verbunden
  • Aufspaltung des Arbeitsmarktes in regulär Angestellte, Leiharbeiter mit Mindestlohn und Werkvertragsbeschäftige ohne Mindestlohn

Lesen Sie auch gern unseren nächsten, am 23. Juli 2020 erscheinenden Blogbeitrag zum Thema „Haftungsfalle Werkverträge“, um einen detaillierteren Überblick über diese Vertragsart zu erhalten.