Impfpflicht: Gesetz vs. Datenschutz

Impfpflicht: Gesetz vs. Datenschutz

Nach langem Warten auf einen Impfstoff im Kampf gegen das Corona-Virus hat der Impfstart in Deutschland am 27.12.2020 begonnen. Die „Impf-Rechtslage“ ist für einige Menschen jedoch undurchsichtig. Es wird befürchtet, dass der einsatzfähige Impfstoff mit einer kommenden Impfpflicht einhergeht. Dem entgegen steht, dass es laut Bundesregierung keine Impfpflicht im Kampf gegen das Corona-Virus geben wird. Dieser Auffassung hat sich auch der Deutsche Ethikrat und die Ständige Impfkommission angeschlossen, welche unter anderem auch den vom Gesundheitsminister favorisierten Immunitätsausweis mit Blick auf die individuellen Freiheitsrechte ablehnten. In das bereits mehrfach reformierte Infektionsschutzgesetz wurde zudem auch keine gesetzliche Regelung zu geplanten Impfungen in § 28 a IfSG aufgenommen. Andererseits bietet das Infektionsschutzgesetz mit § 20 Abs. 6 IfSG die Möglichkeit einer Schutzimpfung bei bestimmten übertragbaren Krankheiten mit klinisch schweren Verläufen für „bedrohte Teile der Bevölkerung“.

Die Einführung einer Impfpflicht würde einen Eingriff in die durch Art. 2 GG geschützte körperliche Unversehrtheit darstellen, sodass an die Begründung einer solchen Zwangsimpfung hohe Anforderungen zu stellen sind. Für die Einführung eines Impfzwangs ist darüber hinaus ausdrücklich die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.

Die Voraussetzungen für eine einzuführende Impfpflicht gegen das Corona-Virus sind in verschiedener Hinsicht (noch) nicht gegeben. Für eine begründete Impfpflicht fehlt es hauptsächlich an ausreichenden Studien, welche sich mit Langzeitwirksamkeit und Langzeitnebenwirkungen der verschiedenen Impfstoffe beschäftigen.

Die Möglichkeit einer Klassenunterteilung in Geimpfte und Nicht-Geimpfte und damit auch einer „Impfpflicht durch die Hintertür“ wird vielfach diskutiert. So wird z.B. erörtert, ob Freiheitsrechte oder Alltagsgeschäfte, wie Restaurant- oder Kinobesuche, der Geimpften im Gegensatz zu den Nicht-Geimpften erweitert werden sollten. Eine „indirekte Impfpflicht“ wird auch vor dem Hintergrund des durchgesetzten Masernschutzgesetzes, welches seit März vergangenen Jahres gilt, diskutiert. Hiernach benötigen neben Kindern in Kitas oder Schulen auch das erzieherische, lehrende und medizinische Personal eine Masern-Schutzimpfung.

Aus rechtlicher Sicht findet bei einer Klassenunterteilung das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Anwendung. Danach gäbe es keine Handhabung, um gegen mögliche Ungleichbehandlungen bei Alltagsgeschäften vorzugehen, sofern das sogenannte „Diskriminierungsmerkmal“ fehlt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet eine Diskriminierung aufgrund von Umständen, auf die Menschen keinen Einfluss haben. Bei nicht ausreichend vorhandenen Dosen, um eine zweifache Impfung der bundesdeutschen Bevölkerung zu gewährleisten, käme das „Diskriminierungsmerkmal“ somit zum Tragen, da der Einzelne den Mangel an Impfstoff nicht beeinflussen kann.

Ist genügend Impfstoff vorhanden, entfällt auch das „Diskriminierungsmerkmal“ und es gäbe keine Handhabung, um gegen eine mögliche Ungleichbehandlung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften vorzugehen.  Der Gesetzgeber müsste in diesem Kontext Vorsorge treffen, sofern er vermeiden will, dass Nicht-Geimpften Nachteile entstehen. Allerdings wird es unter Umständen schwierig, eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, insofern plausible sachliche Gründe, wie beispielsweise der Schutz der Beschäftigten im Einzelhandel oder des Zugpersonals, diesem entgegenstehen.

Auch wenn in Deutschland aktuell keine gesetzlich angeordnete Impfpflicht besteht, drängt sich bei Beschäftigten die Frage auf, inwieweit der Datenschutz im Hinblick auf Corona-Impfungen im Arbeitsverhältnis beeinträchtigt werden kann. Bedenken beziehen sich hierbei insbesondere auf eine Vernachlässigung des Datenschutzes hinsichtlich des Verlangens eines Impfnachweises vom Arbeitgeber oder auf eine noch weitreichendere Einschränkung, der Verpflichtung zur Impfung.

Prinzipiell ist eine Datenerhebung von den Beschäftigten nur erlaubt, welche für das Beschäftigungsverhältnis erforderlich ist. Hintergrund dessen ist die Datensparsamkeit und Zweckbindung nach Art. 5 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 1 BDSG. Einer speziellen Betrachtung unterliegen die personenbezogenen Daten besonderer Kategorien, worunter auch die Gesundheitsdaten fallen. Eine Erhebung solcher Daten ist im Beschäftigungsverhältnis nicht erlaubt. Hiervon gibt es allerdings eine Ausnahme, welche Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO bildet. Nach diesem Artikel dürfen einzelne Gesundheitsdaten unter strengen Auflagen verarbeitet werden, sofern dies u.a. für den Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren oder zur Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gesundheitsversorgung notwendig ist.

Widersprüchlich erscheint es, dass Gesundheitsdaten grundsätzlich nicht im Beschäftigungsverhältnis erhoben werden dürfen, aber bei bestimmten Beschäftigten (s.o. Masern <-> Lehrer etc.) der Nachweis über Impfungen Voraussetzung ist, um deren Tätigkeit auszuüben. Diesbezüglich hat Art. 26 Abs. 3 BDSG Ausnahmen für eine Zulässigkeit der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten abweichend von Art. 9 Abs. 1 DSGVO normiert. Gesundheitsdaten dürfen dementsprechend unter zwei Voraussetzungen erhoben werden. Primär muss die Erhebung der Gesundheitsdaten zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich sein. Sekundär muss das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person den Ausschluss der Verarbeitung der eigenen Gesundheitsdaten überwiegen.  

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber von seinen Beschäftigten keine Impfung verlangen, sofern dies nicht gesetzlich für bestimmte Beschäftigtengruppen vorgeschrieben ist. Im Hinblick auf die Corona-Schutzimpfung ist dies nicht einschlägig. Im Vordergrund der Corona-Schutzimpfung steht primär die Freiwilligkeit jeder einzelnen Person. Zudem haben Arbeitgeber in der Regel kein Interesse daran, beim Drängen auf den Impfschutz sich im Fall von etwaigen Komplikationen mit den Haftungsrisiken auseinanderzusetzen. Besteht also keine Impfpflicht, kann der Arbeitgeber auch keine Maßnahmen gegen Nicht-Geimpfte ergreifen. Arbeitsvertraglich ändert sich für den Arbeitgeber durch die Corona-Impfungen nichts, sodass er sowohl Geimpfte als auch Nicht-Geimpfte weiterhin verpflichtend beschäftigten muss.

Essenz

  • Laut Bundesregierung besteht keine Impfpflicht, sondern eine Freiwilligkeit zur Corona-Schutzimpfung
  • Voraussetzungen für eine einzuführende Impfpflicht gegen das Corona-Virus sind in verschiedener Hinsicht (noch) nicht gegeben
  • Kritiker sehen die Möglichkeit einer „Impfpflicht durch die Hintertür“ durch eine Klassenunterteilung in Geimpfte und Nicht-Geimpfte
  • Anwendung des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bei einer vorgenommenen Klassenunterteilung
  • Erhebung von Gesundheitsdaten sind im Beschäftigtenverhältnis nicht erlaubt, wobei Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO eine Ausnahme hiervon bildet